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Recht / Zivilrecht 
Freitag, 19.07.2024

Eigenbedarfskündigung eines Anwalts, um Kanzlei in Wohnung zu betreiben, kann rechtmäßig sein

Wenn ein Rechtsanwalt in seiner Eigentumswohnung eine Kanzlei betreiben und darin auch wohnen will, darf er seinen Mietern deswegen kündigen. Die Absicht, in einer Wohnung nicht nur zu wohnen, sondern auch eine Kanzlei zu betreiben, kann ein berechtigtes Interesse für eine Kündigung der dort lebenden Mieter darstellen. Es reiche, wenn dem Vermieter sonst ein „beachtenswerter“ bzw. „anerkennenswerter Nachteil“ entstünde. So entschied der Bundesgerichtshof (Az. VIII ZR 286/22).

Seit 1977 lebten die jetzigen Mieter in einer Berliner Dreizimmerwohnung. Im Jahr 2013 wurde das Haus zunächst in Eigentumswohnungen aufgeteilt, im Jahr 2018 erwarb der jetzige Eigentümer, ein Anwalt, die Wohnung der Betroffenen und kündigte 2021 seinen Mietern mit der Begründung, er wolle die Räumlichkeiten überwiegend für seine eigene Kanzlei nutzen und Teile der Wohnung auch an andere Anwälte untervermieten, zusätzlich aber auch darin wohnen. Sein bisheriger Mietvertrag für seine Kanzlei habe geendet, daher sei er auf diese Räumlichkeiten angewiesen. Für Eigenbedarfskündigungen zu Zwecken der Wohnraumnutzung sieht das Gesetz in § 577a Abs. 1, 2 BGB i. V. m. der Berliner Kündigungsschutzklausel-Verordnung zwar eine zehnjährige Sperrfrist vor, diese gilt jedoch nicht (direkt) für Nutzungen zum (primären) Zweck einer freiberuflichen Tätigkeit. Dennoch sah das Landgericht Berlin darin zunächst einen Grund, dem Vermieter die Kündigung gem. § 573 Abs. 1 BGB zu versagen. Zur Vermeidung von Widersprüchen müsse die Wertung dieser Sperrfrist auch in die Interessenabwägung des § 573 Abs. 1 BGB mit einfließen, sodass der Vermieter nur kündigen könne, wenn er einen „gewichtigen Nachteil“ vortragen könne. Eine Mischnutzung sei schließlich nicht schützenswerter als eine reine Eigenbedarfskündigung.

Der Bundesgerichtshof vertrat jedoch die Auffassung, dass die Vorschrift des § 577a BGB eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift sei, die auf den Fall der beabsichtigten Mischnutzung nicht übertragbar sei. Vielmehr komme es hier allein auf eine Interessenabwägung i. S. d. § 573 Abs. 1 BGB an, da die Regeltatbestände nicht einschlägig seien. Der Vermieter müsse im Rahmen der Interessenabwägung zunächst vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung vorweisen, die den (ernsthaft verfolgten) Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen ließen. Zudem komme es darauf an, ob das vom Vermieter geltend gemachte Interesse ebenso schwer wiege wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe. Es sei zudem erforderlich, dass die Vorenthaltung der Mieträume für den Vermieter einen immerhin „beachtenswerten Nachteil“ begründe; ein „gewichtiger Nachteil“, wie das Landgericht noch gemeint hatte, sei hingegen nicht zu fordern. Der Vermieter müsse auch nicht zwingend auf die Wohnung angewiesen sein. Bei einer normalen Lebens- und Berufsplanung sei dem Interesse des Vermieters in Fällen wie diesen regelmäßig der Vorzug vor dem Bestandsinteresse des Mieters zu geben. Höhere Anforderungen wären allerdings dann zu stellen, wenn die Nutzung zu Wohnzwecken einen völlig untergeordneten Raum einnehme. Gemessen an diesen Grundsätzen habe das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Kündigung des Vermieters aus berechtigtem Interesse gestellt. Das Landgericht Berlin müsse daher erneut unter Beachtung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze über die Wirksamkeit der Kündigung entscheiden.

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